Donnerstag, 27. Oktober 2016

Clinton oder Trump: Was sind ihre Pläne für das US-Raumfahrtprogram?

Die NASA und das amerikanische Raumfahrtprogramm spielen im diesjährigen Präsidentschaftswahlkampf praktisch keine Rolle. Allerdings gibt es Hinweise, wie die Raumfahrtpolitik der USA unter einem Präsidenten Trump oder einer Präsidentin Clinton aussehen könnte.

Sucht man auf den offiziellen Webseiten der beiden Kandidaten nach einer Position zu NASA, Raumfahrt etc., so wird man enttäuscht. Weder Trump noch Clinton geben dort ein offizielles Statement zum Thema ab.
Etwas ergiebiger ist ein Neun-Punkte-Fragenkatalog von SpaceNews Magazine, den beide Kandidaten beantwortet haben. Insbesondere Trump gibt sich hier äußerst wortkarg, Clintons Antworten fallen ausführlicher aus, erschöpfen sich jedoch oft in leeren Phrasen.
Trump (oder wer auch immer die Antworten für ihn verfasst hat) beschränkt sich im wesentlichen darauf, das Raumfahrtprogramm im Grundsatz zu loben, macht aber keine konkreten Aussagen zum NASA-Budget oder zum langfristigen Ziel einer bemannten Marsmission. Dies müsse man alles nach der Wahl und in Zusammenarbeit mit dem Kongress klären.
Beide Kandidaten äußern sich lobend über die Zusammenarbeit von öffentlichem Sektor und Privatwirtschaft und erwähnen die Erfolge bei der Versorgung der ISS durch private Anbieter. Clinton sagt explizit, dass dieser Ansatz fortgeführt werden sollte und erwähnt auch die Wiederverwendbarkeit von Trägersystemen zur Kostensenkung.

Weit aufschlussreicher, was die Haltung des Trump-Lagers angeht, sind zwei Meinungsartikel (vom 19. und 24. Oktober) von Robert Walker und Peter Navarro, beides Berater des republikanischen Präsidentschaftsbewerbers. Walker ist ein ehemaliger Kongressabgeordneter, der in dieser Funktion auch eine führende Rolle in Raumfahrtfragen innehatte und schon seit Jahrzehnten im Beratungsgeschäft tätig ist. Navarro ist Professor für Betriebswirtschaft.
Die beiden loben in den höchsten Tönen private Firmen wie SpaceX, ULA und Blue Origin und betonen die Notwendigkeit einer noch stärkeren Zusammenarbeit von staatlicher Seite und privaten Firmen. Diese müsse die Grundlage des gesamten Raumfahrtprogramms sein.  Die NASA solle sich vor allem auf den "tiefen Weltraum" konzentrieren, bemannte Missionen zu Zielen im gesamten Sonnensystem bis Ende des Jahrhunderts seien ihre Hauptaufgabe; Erdbeobachtung und Klimaforschung wären bei anderen Behörden besser aufgebhoben.
Das ISS-Projekt soll nach den Worten von Walker und Navarro weitergeführt werden, allerdings sollen dafür neue Partner ins Boot geholt werden. Was das konkret heißen könnte, zeigt dieser Tweet des (normalerweise ausgezeichnet informierten) Raumfahrt-Journalisten Jeff Foust:

Ob Trump selbst diese Ansicht teilt, ist nicht bekannt. In jedem Fall dürfte es sehr schwierig werden, Widerstände von einflussreichen republikanischen Politikern im Kongress gegen eine solche Einbindung Chinas zu überwinden: Derzeit ist es der NASA nicht einmal erlaubt, direkt mit chinesischen Stellen zu sprechen.

In ihrem zweiten Meinungsartikel widmen sich Walker und Navarro vor allem dem militärischen Aspekt und betonen in diesem Zusammenhang erneut die zentrale Rolle des privaten Sektors. Insbesondere sollten nicht mehrere Trägersysteme parallel entwickelt werden, die im Grunde das Gleiche leisten; wo es privatwirtschaftliche Angebote gebe brauche es nicht notwendigerweise staatliche Investitionen.
Außerdem müsse der militärische Beschaffungsprozess reformiert werden; eine mögliche Anspielung auf die umstrittene Vergabepraxis der Air Force beim EELV-Programm?

Sehr interessant ist auch, was Walker und Navarro *nicht* erwähnen: Die beiden aktuellen NASA-Großprojekte SLS und Orion.

Auch die Clinton-Kampagne hat sich in den letzten Tagen ausführlicher geäußert. Clinton-Berater Jim Kohlenberger schreibt ebenfalls positiv über die Zusammenarbeit mit privaten Unternehmen und verspricht, wie auch das Trump-Lager, eine bessere Koordinierung aller Raumfahrtaktivitäten der Regierung. Er kritisiert die Absicht einer möglichen Regierung Trump, das Erdbeobachtungsprogramm der NASA einzuschränken bzw. anderen Behörden zu übertragen. Tatsächlich geht es in Kohlenbergers Artikel über drei Paragraphen hauptsächlich um den Klimawandel statt um das Raumfahrtprogramm. Die Aussagen zu letzterem bleiben eher vage: Clinton unterstütze das Commercial Crew Programm, die ISS und Missionen jenseits der Erdumlaufbahn. Wohin bleibt offen.
Kohlenberger erwähnt, dass die USA dabei sind, ihren Anteil am globalen Markt für Satellitenstarts wieder auszubauen; ein Hinweis auf den Erfolg von SpaceX.

Auch in dieser offiziellen Verlautbarung der Clinton-Kampagne kommen SLS und Orion nicht vor. In diesem Zusammenhang sollte folgende Personalie im Blick behalten werden: Lori Garver könnte sich wohl gute Chancen ausrechnen, die Raumfahrtbehörde für eine Clinton-Regierung zu führen. Sie war stellvertretende NASA-Chefin (2009-2013) und hat Hillary Clinton bei ihrer Präsidentschaftskandidatur 2008 beraten, sowie das Übergangsteam für Obama geleitet. Sie hat sich mehrfach höchst kritisch insbesondere über das SLS-Programm geäußert und sich damit viele Feinde gemacht (siehe zum Beispiel dieses Interview).

Natürlich werden die Beharrungskräfte, die für SLS und Orion arbeiten, enorm sein, egal ob Clinton oder Trump ins Weiße Haus einziehen. Es stehen Tausende Arbeitsplätze und lukrative Aufträge für Großkonzerne (Lockheed Martin und Boeing) auf dem Spiel.
Dennoch werden beide Projekte nach der Wahl auf eine harte Probe gestellt werden. Die verantwortlichen Manager müssen dem Übergangsteam des gewählten Präsidenten Bericht erstatten. 2008 war das der Anfang vom Ende für das Constellation-Mondprojekt. Der Umstand, dass sowohl Trump als auch Clinton bisher kein klares Bekenntnis zu SLS/Orion abgegeben haben, lässt eine Wiederholung zumindest möglich erscheinen.


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