Mittwoch, 28. September 2016

Das Marsprojekt

Elon Musk verkündet seinen Masterplan für die Besiedlung des Mars. Nach jahrelangen Spekulationen gibt es nun endlich offizielle Informationen.

Musk ist für ehrgeizige Ziele bekannt. Eines davon: die Menschheit zu einer "multiplanetaren Spezies" zu machen, d.h. konkret den Mars zu besiedeln und damit das langfristige Überleben unserer Art zu sichern oder zumindest sehr viel wahrscheinlicher zu machen. Nicht irgendwann in ferner Zukunft, sondern in den nächsten Jahrzehnten.

Frühestens 2025 könnte erstmals eine Crew auf dem Roten Planeten landen, bevor dann in regelmäßigen Abständen (ca. alle zwei Jahre) erst Hunderte und schließlich Tausende Menschen zum Mars geschickt würden. Jeder Aussiedler müsste 100.000 bis 200.000 Dollar für die Reise aufbringen, etwa der Preis eines durchschnittlichen Hauses in den USA. Zu diesen Preisen wäre die Entstehung einer eigenständigen Kolonie praktisch unausweichlich, so Musk. Das (vorläufige) Fernziel: eine Million Menschen auf dem Mars.

 Der Plan im Überblick

Das so genannte Interplanetary Transport System (bislang unter der Bezeichnung Mars Colonial Transport/MCT bekannt), bestehend aus "Booster" (Hauptstufe) und "Ship" (Raumschiff) ist das Kernstück des Plans. Der Booster beschleunigt das Raumschiff, wendet und fliegt zur Startrampe zurück, um dort punktgenau zu landen. Er erfüllt also praktisch die gleiche Aufgabe wie die erste Stufe der Falcon 9. Das Raumschiff fliegt weiter bis in eine niedrige Erdumlaufbahn. Dort wird es von Tankern mit Treibstoff versorgt. Diese Tanker sind abgewandelte Versionen des Raumschiffs, bei denen der gesamte Innenraum für den Transport von Treibstoff genutzt wird (also minus Frachtraum und Wohneinheit).

Raumschiff und Tanker in der Erdumlaufbahn (Bild: SpaceX)

Voll aufgetankt startet das Raumschiff zum Mars. Auf dem Weg dorthin bezieht es seine Energie über entfaltbare Solarpanele. Am Ziel angekommen tritt das Raumschiff in die Marsatmosphäre ein und bremst auf diese Weise ab. Die Landung erfolgt senkrecht mit Hilfe des Raketenantriebs (also ohne Fallschirme). Auf der Oberfläche wird der Treibstoff für den Rückflug aus der Marsatmosphäre gewonnen. Die Energie für diesen Prozess liefert eine größere Solaranlage. Schließlich startet das Raumschiff zur Erde zurück.

Vollständige Wiederverwendbarkeit

Der Schlüssel für möglichst niedrige Missionskosten ist die Wiederverwendbarkeit aller Komponenten. Da das Raumschiff nur alle 26 Monate zum Einsatz kommen kann (Startfenster Erde-Mars öffnet sich in diesem Abstand) kann es über eine Lebensdauer von vielleicht 30 Jahren nur etwa ein Dutzend Mal wiederverwendet werden. Umso wichtiger ist es daher, dass es bei jedem dieser Flüge ein Maximum an Nutzlast zum Mars befördert. Ermöglicht wird das durch die Betankung im Orbit, welche auch eine maximale Nutzung/Wiederverwendung von Boostern und Tankern garantiert: Für die Booster plant SpaceX eine tausendfache Wiederverwendbarkeit (!).

Wie realistisch diese Kostenschätzung und die zugrundeliegenden Annahmen sind, muss die Zeit zeigen (Bild: SpaceX)


Der Interplanetare Transporter

Das ITS/Interplanetary Transport System ist von seinen Dimensionen her ein wahres Monster: 122 Meter hoch, maximal 17 Meter breit, mit einer Starmasse von 10.500 Tonnen. Es übertrifft die Saturn V-Mondrakete, insbesondere was die Nutzlastkapazität angeht, bei weitem. Unglaubliche 300 Tonnen soll das ITS in eine Erdumlaufbahn befördern können (Saturn V: 135 Tonnen), voll wiederverwendbar wohl gemerkt. Würde man es als Einweg-Rakete (wie die Saturn) nutzen, wären sogar 550 Tonnen möglich. Das sind Zahlen, die so seit den kühnsten Prognosen in der Planungsphase des Apollo-Programms nicht mehr diskutiert wurden.

Das ITS verdeutlich einen Grundsatz des Raketenbaus: je größer, desto effizienter (Bild: SpaceX)

Herzstück des ITS ist das Raptor-Triebwerk: Dieser Raketenantrieb befindet sich derzeit in der Entwicklung, gerade erst gab es die erste Testzündung. 42 (!) Exemplare davon - kreisförmig am Heck des Boosters montiert - werden den Koloss von der Startrampe heben, weitere neun bilden den Antrieb des Raumschiffs.
Raptor wird in etwa so groß sein wie das Merlin-Triebwerk der Falcon 9, dabei aber dreimal so viel Schub produzieren. Möglich wird das durch den enorm hohen Brennkammerdruck von 300 bar. Raptor nutzt einen so genannten full-flow staged combustion cycle. Klingt kompliziert, ist es auch: Nur zwei andere Triebwerks-Prototypen, die nach diesem Prinzip operieren, wurden jemals getestet. Im Grunde geht es darum, dass der mitgeführte Treibstoff zu 100% in die Brennkammer gelangt und somit so effizient wie möglich genutzt wird.
Sollte die Entwicklung erfolgreich verlaufen wird Raptor am Ende etwa so aussehen:

Mit einem spezifischen Impuls von 382 s (im Vakuum) wird Raptor zu den effizientesten Antrieben gehören (Bild: SpaceX)

Das ITS wird nahezu vollständig aus Kohlefaser gefertigt werden, auch das ein Novum. Bisher wurden höchstens einzelne Komponenten von Trägerraketen aus diesem Material hergestellt. SpaceX scheint dabei schon beachtliche Fortschritte erzielt zu haben: Musk zeigte ein Bild von einem Prototypen für die riesigen Tanks des ITS.



Wie geht es weiter?

Was also klingt wie Science Fiction, kann nach der heutigen Präsentation durchaus ernst genommen werden. Hier wurde ein Plan vorgestellt, der konkreter, detailierter und natürlich ambitionierter war, als alles, was man je von der NASA öffentlich zu dem Thema gehört hat.
SpaceX ist schon seit einiger Zeit dabei, den Markt für kommerzielle Satellitenstarts aufzumischen. Erst belächelt, ist das Unternehmen heute der schärfste Konkurrent von alteingesessenen Industriegrößen wie ULA, Arianespace/ASL und ILS und hat dafür gesorgt, dass neue Raketenprojekte von diesen erst angestoßen wurden (Vulcan, Ariane 6).
SpaceX versorgt die Internationale Raumstation mit Fracht und wird in ein bis zwei Jahren auch bemannte Flüge dorthin durchführen.
In anbetracht dieser Erfolge wird SpaceX zwar mittlerweile wohl von niemandem mehr belächelt. Allerdings dürften die heute vorgestellten Pläne für so manchen schwer zu schlucken sein, scheinen sie doch geradezu aus einem Paralleluniversum zu stammen. Wenn Musk davon spricht, dass ihm eine Flotte von 1000 Schiffen vorschwebt, die gemeinsam zum Mars aufbricht ("wie bei Battlestar Galactica") scheint das Lichtjahre entfernt von den trockenen Kosten-Nutzen-Analysen der klassischen Anbieter. Der SpaceX-Chef sagte dann heute auch ganz klar, dass er nur dann eine Zukunft für die Menschheit im All sieht, wenn es eine starke ideologische Motivation gibt, dies zu verwirklichen.

Im Schlussteil der Präsentation wurde es visionär: Das ITS könnte theoretisch das gesamte Sonnensystem erschließen (Bild: SpaceX)

Daneben wird aber natürlich der finanzielle Aspekt entscheidend sein: Auf einer Pressekonferenz nach der Veranstaltung sagte Musk, dass er bereits die NASA vorab informiert habe und dass eine Zusammenarbeit mit der Raumfahrtbehörde eine "gute Sache" wäre. Auf das Internet-Satellitenprojekt von SpaceX angesprochen bestätigte er dieses Vorhaben und seine mögliche Rolle bei der Finanzierung des Marsplans, ging aber nicht weiter darauf ein.
Letzlich hofft Musk wohl darauf, dass, wenn er nur mit gutem Beispiel vorangeht und weiter Erfolge produziert, er mehr und mehr Unterstützung von privater und staatlicher Seite erhalten wird. Zu wünschen wäre es ihm und seinem Team.


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